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gitta schulte
gitta schulte
Einführung in die Ausstellung
Arbeiten 2001-2006
Von Brigitte Schulte
Neuenburg a. Rh
Vom 25.Juni 2006-17.September 2006
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Sehr geehrte Frau Schulte,
Liebe Kunstfreude aus Neuenburg und der ganzen Regio
Beim Betreten der Ausstellungsräume werden wir gleich von den großen bunten
Bildern in den Bann gezogen.
Das macht Lust auf mehr, das macht neugierig auf die Person, die diese
Exponate schuf.
Gerne habe ich es übernommen, mit einigen einführenden Worten diese erste,
sich ausschließlich den Gemälden von Brigitte Schulte widmenden Ausstellung
zu eröffnen.
Ich möchte mich allerdings bewusst zurückhalten, um nicht zu sehr Ihre
Betrachtungsweise dieser Werke vorzuprägen.
Die eigenen inneren Bilder, entstehend aus den im Betrachtungsprozess
ausgelösten Assoziationen, persönlichen Anmutungen und Emotionen sind
schließlich diejenigen, durch die sich uns die Werke erschließen, die Widerhall
oder Widerspruch erzeugen, innere und äußere Nähe und Distanz erzeugen.
Die gesprochene Sprache ist gegenüber der gesamtheitlich wirkenden
Bildsprache in Farbe, Form, Struktur und Kontrasten und den durch sie
ausgelösten Spannungen überdies in ihrer analytischen Beschreibungsweise
sehr begrenzt.
Die Ausstellung mit dem Titel :
Brigitte Schulte – Arbeiten 2001 -2006
eröffnet einen Einblick in einen intensiven Auseinandersetzungsprozess mit den
bildnerischen Gestaltungsmitteln der Farbe.
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Vernissage-Rede 18. April 2010
Von Stefan Tolksdorf M.A.
Else Lasker Schüler:
„Mein Blaues Klavier“
Ich hatte zuhause ein blaues Klavier und kenne doch keine Note. Es steht im Schatten der Kellertür
seitdem die Welt verrohte.
Es spielten Sternenhände vier, die Jungfrau sang im Boote.
Nun tanzen die Ratten im Geklirr,
zerbrochen ist die Klaviatur
Ich betraure die blaue Tote
Ach liebe Engel öffnet mir, ich aß vom bitteren Brote, mit lebend schon die Himmelstür
Auch wider dem Verbote.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Gitta Schultes Klaviere sind nicht blau, sondern von impulsivem Rot – und sie sind, obzwar optisch
zerlegt, keinesfalls zerbrochen. Zu betrauern ist hier nichts, aber zu fragen viel. Und auch wenn ihr ein
so tragisches Schicksal wie der Lasker-Schüler erspart blieb, haben ihre Klaviaturen durchaus auch mit
den Themen Zeit und Erinnerung zu tun.
Braucht es für diese Bildere eine „Seheinweisung“?
Wohl kaum.
Wenn Landschaften des Innern derart mit einer realen Topographie korrespondieren, wenn das Gefühl
von Verbundenheit mit besonderen Gegenständen diesen die Aura des Unergründlichen,
Geheimnisvollen verleiht, wenn es der Malerin überdies gelingt, für ein solch persönliches
Bezugssystem von Ich, Ding und Welt einen stimmigen künstlerischen Ausdruck zu finden,
sollte unsere Neugier schon geweckt sein. Für Bilder, die Fragen stellen.
Etwa diese:
Was sind das für totemhafte Objekte, die sich in eine unbestimmte Ferne staffeln, uns aus der Tiefe
des Raums entgegen wachsen – sperrig, fordernd und seltsam abgetrennt von jeder Deutungshoheit.
Fremde Wesen ganz eigener Ordnung.
Was wie eine surreale Erfindung anmutet, hat überraschenderweise einen ganz konkreten Standort –
die Abraumhalde der Zeche Haniel bei Bottrop.
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Einführung in die Ausstellung “Spuren” im Kunstpalais Badenweiler durch
Herrn Nikolaus Cybinski am 5.3.2016
SPUREN
Sehr geehrte Frau Gawaz, sehr geehrte Frau Rittner, sehr geehrter Herr Eder,
lieber Herr Dreyer-Erben,
liebe Frau Schulte,
verehrte Freundinnen und Freunde des KunstPalais.
Unter das Thema Spuren hat Gitta Schulte ihre hier gezeigten 30 Bilder gestellt,
die sie in den vergangenen fünf Jahren gemalt hat. Was genau meint sie damit?
Im Allgemeinen verstehen wir unter Spuren Hinweise auf etwas, das entweder
zeitlich zurückliegt und dank ihrer er-innert und im besten Fall in seiner
einstigen Erscheinungsform rekonstruiert werden kann. Oder sie verweisen auf
Kommendes, deuten an, was geschehen oder werden könnte und lassen uns auf
diese Weise in die Zukunft blicken. Beides, zurück- und nach vorne schauen,
will ich im Folgenden versuchen und lade Sie, verehrte Kunstfreunde, ein, mit
mir auf Spurensuche zu gehen.
Gitta Schulte war ein Kind des Ruhrpotts. War? Schon falsch. Sie ist es immer
noch, hört man, wie sie ihre Kinder- und Jugendheimat liebevoll nennt. Geboren
in Bottrop, aufgewachsen in Oberhausen, hat sie all das täglich gesehen und
erlebt, von dem ich Weitentfernter mir keine konkreten, ich vermute sogar
ziemlich falsche Vorstellungen mache. Ruhrpott, klar, das ist nicht nur die
farbenfrohe gelbschwarze Borussia Dortmund, Ruhrpott war vor allem die Stadt
Essen. Und Essen war einmal gleichbedeutend mit Krupp, mit der Zeche
Zollverein, war die Zentrale der deutschen Schwerin- dustrie. Ruhrpott, das
lernten wir einst, waren die Steinkohleflöze tief unter Tage, die von
schwarzgesichtigen Männern abgebaut, und oben, über Tage, zu Koks veredelt
wurden. Der wiederum ist, auch das haben wir einmal gelernt, einer der
Brennstoffe für die Stahlgewinnung. Kohle, gewaltige Hochöfen und Stahl
waren einmal der Inbegriff einer industriellen Epoche; Stahl wurde zu T-Trägern
und Eisenbahnschienen, zu Auto- und anderen Blechen weiter verarbeitet und -
wie Sie hier jetzt sehen können - auch zu Stuhlbeinen und Stuhllehnen.
Wer nun wie Gitte Schulte im Ruhrpott aufwuchs, kennt das alles zur Genüge
und hat es als Bilderarchiv in sich gespeichert. Die Schriftstellerin Christa Wolf
fand dafür den Begriff „Kindheitsmuster“, und unser Wort Er-Innerung weist ja
ebenfalls eindeutig auf die Gegend in uns hin, wo wir dergleichen deponieren.
Ich hoffe, verehrte Kunstfreunde, jetzt sind wir da, wohin uns unsere
Spurensuche führen sollte: Einiges spricht dafür, dass Gitta Schultes Bilder
derartige Er-Innerungen sind. Als Beleg für diese Behauptung nenne ich einige
Bildtitel: Zollverein. Koks. Metall. Steine. Diese Bilder sind die sichtbar
gewordenen Beweise immer erneuter, über Jahrzehnte hinweg geworfener
Rückblicke in eine Zeit, als das Kind mit bunten Stiften das malte, was es sah.
Andres gesagt, um mögliche Missverständnisse auszuschließen: Diese Bilder
rekonstruieren keine Kinderwelt, für ein Kinderbuch über den Ruhrpott etwa
sind sie darum untauglich. Diese Bilder, denke ich, sind die Studien einer
Malerin, die einstige Realität in ihrer jetzigen Sichtweise anschaulich zu fassen,
das heißt, etwas zum Vorschein zu bringen, das so zwar nicht mehr existiert, in
der nun gefassten Weise aber aufgehoben ist. Und obschon diese Bilder keine
restaurierende Rekonstruktion des Vergangenen sind, verweisen sie gleichwohl
auf ganz personale, verinnerlichte Weise auf die Welt des heranwachsenden
Kindes.
Und das wäre nun an einem Beispiel zu beweisen. Was Sie hier leider nicht
sehen können, ist die gedankliche und malerische Vorgeschichte des großen
Bildes „Zollverein“. Das hier gezeigte Bild ist die 12. Variante von
Erinnerungsbildern zu diesem „Sujet“, die die Malerin in hell leuchtenden
Farben begann und von Variante zu Variante ab- und eindunkelte, bis zu der
Farbgebung, die Sie nun hier sehen. Das heißt, Gitta Schultes Malen können wir
als Prozess einer dauernden Selbstbefragung verstehen, die zum Ziel hat, die
einstige Realität als Resultat einer kontinuierlich erarbeiteten malerischen
Annäherung in ihrer er-innerten Wahrheit erscheinen zu lassen. Und das macht
diese Bilder, so sehe ich sie, zu Erzählungen, die, in Abwandlung des
Proustschen Titels, A la recherche du temps perdu von der recherche du temps
passé handeln.
Nun wissen wir aus Autobiografien, dass Er-Innerungen eine Neigung zu
Beschönigungen innewohnt. Nicht so hier: Diese Malerei, und das finde ich
beeindruckend, ist nostalgiefrei, ist keine Ruhrpott-Heimatmalerei. Betrachten
Sie das Bild „Zollverein“: Gehen Sie mit auf die Werksbesichtigung, die Sie
zwar in eine für Sie fremde Welt führt, doch in eine, in der es vieles zu
entdecken gibt, das es zu entziffern gilt. Ich hoffe, ich sehe das richtig, wenn ich
sage, dass von diesem Bild, und nicht nur von ihm, eine sachliche Magie
ausstrahlt, die uns erkennen lässt, aha, so war das einst, und so erscheint es nun.
Doch kann zum Beispiel Koks ein Sujet der Malerei sein? Ich denke,
grundsätzlich kann er das heute, und im Falle Gitta Schultes kommt etwas
Entscheidendes hinzu: Sie malt zwar das Material, doch in ihrer Malerei wird
immer eine Geschichte dreifach miterzählt, nämlich die des Kokses, die des
Ruhrpott-Kindes und die der Malerin. Übertragen Sie, verehrte Kunstfreunde,
dieses dreifache Miterzählen auch auf die anderen Bilder, ob sie nun holz, steine,
oder metall heißen. Und richten Sie dann Ihre Blicke auf die drei kleinen
Formate mit den Titeln „zollverein II, III und IV“ und verfolgen Sie, wie die
Malerin die im großen Bild noch erkennbare Gegenständlichkeit nun aufgelöst
hat zugunsten bloßer geometrischer, chiffrenartiger Verweisungen, die eines
zeigen: Er-Innerungen schaffen laufend neue Realitäten.
Der Ruhrpott war Gitta Schultes erste Heimat, das Markgräflerland ist seit einem
Vierteljahrhundert, wie sie mir sagte, ihre zweite. In drei Bildern geht sie den
hiesigen lokalen/regionalen Spuren nach und macht sie zweimal (Spuren I und
III) in der Bildmitte und einmal (Spuren II) am linken oberen Bildrand dingfest.
Dort warten diese Spuren darauf, von Ihnen, verehrte Kunstfreunde, entdeckt
und entziffert zu werden. Ich könnte Ihnen am Beispiel des Bildes Spuren III
etwas verraten, aber ich tue es nicht, denn ich finde, Bildbetrachtung sollte
immer auch Augenarbeit der Betrachter sein, sollte zur Verlockung werden,
etwas selbständig zu entdecken und zu entziffern. Nur so viel: Was Sie sehen,
gehört wesensmäßig zu unserer Landschaft.
Erlauben Sie mir noch eine kurze Bemerkung zu den fünf Bildern geometrie des
orients; Ich habe mich anfangs schwer getan, sie unter dem Thema Spuren zu
sehen, doch mir wurde klar, auch diese geometrischen Muster sind welche, zum
einen nämlich direkte Er-Innerungen der Malerin an eine Andalusienreise und
zum andern, denke ich, ihr Versuch, ein neues malerisches Terrain zu betreten
und zu erkunden. Doch ich will Ihrem Sehen, verehrte Kunstfreunde, nicht
vorgreifen, schicke Sie nun auf Ihre eigene Spuren-Suche und bedanke mich für
Ihr geduldiges Zuhören.